Dieser Artikel sorgt für die Abschirmung der Geräteelektronik gegen Röntgenstrahlung im Computertomograf. Durch die Entwicklung eines neuartigen Kunststoffs mit 96% Wolframfüllung konnte das vormals verwendete Blei ersetzt werden. Unser Haus hat die Entwicklung unter dem Anwenderaspekt im Spritzguß begleitet. Besondere Herausforderungen in der Verarbeitung liegen in der homogenen Verteilung der Füllstoffe und der schwierigen Verarbeitung des stark abrasiven Materials.
Speziell entwickelter Kunststoff ermöglicht Bleiersatz im medizinischen Gerätebau
Die Verarbeitung des neuen Werkstoffs bedingt Änderungen im Fertigungsprozess, zeigt aber deutliche Kostenvorteile gegenüber den herkömmlichen Bleikomponenten und hilft regulatorische Anforderungen zu erfüllen.
Da Blei als höchst umweltgefährdend eingestuft wird, weil es zum einen toxisch wirken und zum anderen nicht oder nur schlecht abgebaut werden kann, erlaubt die RoHS-Richtlinie nur einen Gewichtsanteil von 0,1 Prozent dieses Schwermetalls in neuen Elektro- und Elektronikgeräten. Da vermutet wird, dass auch dieser geringe Restanteil in Kürze verboten werden wird, das Schwermetall allerdings ein wichtiger Bestandteil des Strahlungsschutzes von elektrischen Bauteilen ist, sucht die Industrie ständig nach Alternativen.
Zusammen mit der Firma PolyOne (jetzt Avient), einem führenden Hersteller von thermoplastischen Compounds und Masterbatches, entwickelte das Mitglied der Geiger Gruppe Reiter-HG Geiger Kunststofftechnik GmbH dafür eine Wolfram-Kunststoff-Variante, die Strahlung ebenso gut abschirmt wie Blei und darüber hinaus so genannte "hot spots", also Strahlungslecks verhindert.
Ein Anteil von über 90 % des schwer zu verarbeitenden Wolframs zwang die Reiter-HG Geiger Kunststofftechnik dazu, den Spritzgießprozess zu modifizieren und weiter zu entwickeln, um den hoch gefüllten, 11,0 g/m3 schweren Kunststoff dennoch wirtschaftlich bei einer Temperatur von 290 °C verarbeiten zu können. Mit Hilfe des neuartigen Polymer-Metall-Gemisches, das sich unter anderem durch seine hohe Dichte auszeichnet, können die Herstellungskosten von entsprechenden Schutzkomponenten jetzt zwischen 30 und 50 % reduziert werden.
Aufgrund hoher Strahlung in Geräten wie Computertomographen müssen empfindliche PCB, Kontrolleinheiten oder elektronische Komponenten abgeschirmt werden. Dafür wurden bisher ausschließlich Schwermetalle verwendet wie Blei, Wolfram, Tantal oder Molybdän. Diese Materialien sind sehr teuer und nur als Halbzeuge in Form von Platten oder Barren erhältlich. Daraus mit herkömmlichen Fertigungsmethoden die gewünschten Bauteile herzustellen, ist in der Serienproduktion mit hohen Kosten verbunden, außerdem sind die Gestaltungsmöglichkeiten sehr eingeschränkt.
Um diese Probleme zu umgehen, musste eine völlig neue Lösung gefunden werden. Daher entwickelte Reiter-HG Geiger ein Hybridbauteil aus Kunststoff und einem neuen Werkstoff, dem Trilliant Healthcare Radiation Shielding Compound der Firma PolyOne aus Gaggenau, der aus einer Matrix aus PA12 und einer mehr als 90-prozentigen Wolframfüllung besteht. Diese Verbindung hält Röntgenstrahlung von bis zu 140 keV stand und ist damit ebenso wirksam wie pures Blei – jedoch speziell auf die Richtlinien und Bedürfnisse der Medizintechnik ausgelegt. Zudem verhindert die hervorragende Dispersion des metallischen Füllstoffes so genannte „hot spots“, also Schwachpunkte im Material, die Strahlung durchlassen könnten.
Neue Produktionstechnologie garantiert hochgenaue Geometrien ohne mechanische Nachbearbeitung
Das Material eignet sich perfekt für diese und ähnliches Anwendungen. Allerdings haben stellte sich heraus, dass die Plastifiziereinheiten der Spritzgussmaschinen und bestimmte Bereiche im Werkzeug durch den hohen Wolframanteil im Compund schnell verschleißen. Als Gegenmaßnahme hierzu wurden nun spezielle Reparaturkits angefertigt und verarbeitungsfreundliche und kunststoffgerechte Geometrien mit wenig Ecken und Kanten für das Bauteil entwickelt. Der verwendete Werkstoff der Spritzgiessform verfügt zudem über eine hohe Wärmefestigkeit sowie gute Zähigkeit und Wärmeleitfähigkeit. Falls eine noch reinere, homogenere und zähere Version erforderlich ist, kann auch die ESU-Ausführung des hochlegierten Chromstahls mit der EN-Bezeichnung 1.2343 verwendet werden.
Zudem stellten die unterschiedlichen Fließfähigkeiten der Materialien eine Herausforderung dar. So müssen diese innerhalb bestimmter Toleranzen geliefert werden, da sonst dünne Bereiche in der Form nicht ausfüllbar gewesen wären. Die aus diesen Problemen entstandenen Lösungen vereinen sich in einer neuer Produktionstechnologie, die höchste Präzision garantiert. Der neue Arbeitsprozess erlaubt die Herstellung von Bauteilen mit komplexen, hochgenauen Geometrien ohne mechanische Nachbearbeitung.
Multifunktionalität und mehr Gestaltungsfreiheit als bei zerspanten Alternativen
Neben der Präzision ist dabei außerdem vor allem auch die Multifunktionalität des Bauteils wichtig. So können beispielsweise Halterungen und Führungselemente angebracht werden, so dass es neben dem Strahlenschutz auch eine hochpräzise Führungsaufgabe erfüllt.
Doch auch der wirtschaftliche Aufwand bei der Herstellung spielte eine große Rolle. Durch die Entwicklung des Trilliant Compounds und des darauf zugeschnittenen Produktionsprozesses von Seiten der Reiter-HG Geiger können die Kosten für abschirmende Bauteile im Gegensatz zu einer herkömmlichen Fertigung aus traditionell konfektionierten Metall- und Bleiteilen um 30 bis 50 Prozent reduziert werden. Da der Werkstoff Blei zu 100 Prozent ersetzt wurde, wurden auch die negativen Auswirkungen auf Gesundheit und die Umwelt reduziert.
Darüber hinaus erlaubt diese Kunststoff-Wolfram-Verbindung zusammen mit dem speziell entwickelten Produktionsprozess eine große Gestaltungsfreiheit, so dass Bauteile in Formen produziert werden können, die bestimmte elektronische Komponenten effektiver abschirmen als zerspante Elemente. So werden die Neuerungen rund um den neu entwickelten Produktionsprozess in Zukunft auch in andere Projekte, in denen Blei ersetzt werden muss einfließen.
Unsere Leistungen im Projekt
Mit-Entwicklung des Materials in Kooperation mit Materialhersteller und Kunde
Erstellung der Werkzeugkonzepte
Werkzeugbau
materialbedingte Optimierung von Artikel, Werkzeug und Spritzgußprozess
Spritzgußfertigung in Serie
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